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Wird ChatGPT das HR ersetzen?

Eine Einschätzung über die Potentiale und Chancen, vor allem aber auch die Risiken

Wird ChatGPT das HR ersetzen?

ChatGPT ist in aller Munde. Dass ChatGPT einen neuen Meilenstein in der technologischen Entwicklung gesetzt hat, steht ausser Frage. Doch wie können wir diese Innovation im HR einsetzen und nutzen und ist dies ganz ohne Bedenken möglich?  

Von Anja Buser und Esther Brand

 

Hattet ihr in letzter Zeit auch immer wieder Gespräche dieser Art?

«Hast du schon ChatGPT genutzt?»

Ich: «Nein, ich bin noch nicht dazugekommen.» Denkend: Wovon redet sie? Ich muss das googlen.

«Hast du schon ChatGPT genutzt? Das musst du unbedingt ausprobieren. Ich habe gestern …»

Ich: «Habe es versucht, aber das System war überlastet. Ich konnte mich gar nicht einloggen.» Denkend: ich muss endlich verstehen, wovon alle reden.

Davon ausgehend, dass ich nicht die Einzige bin, der es so erging, war es mir ein Anliegen, das Thema gründlich unter die Lupe zu nehmen und dieses insbesondere im HR-Kontext zu begutachten. Deswegen habe ich mich mit Esther Brand unterhalten, quasi die Mama unseres Chatbots Sophie und somit unsere Chatbot-Expertin.

Das Wichtigste zuerst: Worüber reden wir eigentlich?

ChatGPT ist ein öffentlich zugänglicher Chatbot, der dank seiner umfangreichen Trainingsdaten sehr gut in der Lage ist, die menschliche Sprache zu verstehen und wiederzugeben. Er kann Fragen beantworten, Gedichte oder Skripte schreiben, Blogbeiträge verfassen, Texte zusammenfassen und sogar Emotionen erkennen. Hierfür nutzt er das Sprachverarbeitungsmodell GPT-3, das Eingabeaufforderungen analysiert, den Text in kleine Teile unterteilt und deren Wortart und Funktion bestimmt, wie z.B ob es sich um ein Nomen, ein Verb oder ein Füllwort handelt. Weiterhin erkennt es die Beziehungen zwischen den Worten und versucht, den Kontext abzuleiten, um eine passende Antwort zu generieren. GPT-3 greift dabei auf ein komplexes Netzwerk mit ungefähr 175 Milliarden Parametern und einer fast unvorstellbaren Menge von Begriffen aus frei verfügbaren Internetquellen wie Wikipedia oder Social-Media-Plattformen zu. In der Pro-Version arbeitet ChatGPT bereits mit GPT-4. GPT-4 soll mit einer Billion Parametern trainiert worden sein und dementsprechend nochmals einen enormen Fortschritt gegenüber GPT-3 bieten.

Warum reden alle darüber? Chatbots gab es doch auch vorher schon!

Das liegt daran, dass ChatGPT ein bedeutender Fortschritt in der Entwicklung von Chatbots ist. Im Gegensatz zu früheren Chatbots, die meist auf starren Regeln oder einfachen Mustern basierten, ist ChatGPT in der Lage, aufgrund seines Sprachverarbeitungsmodells GPT-3 menschenähnliche Konversationen zu führen. Es kann die Bedeutung und den Kontext von Sätzen und Phrasen ableiten und passende Antworten generieren, ohne dass es speziell programmiert werden muss. Zudem ist ChatGPT frei verfügbar. Bisher kannten viele nur die einfachen Chatbots aus dem online Kundenservice.

Die ganze Entwicklung muss wahnsinnig viel Geld gekostet haben. Wer steckt dahinter?

Hinter ChatGPT steckt die Non-Profit Organisation OpenAI. Sie wurde 2015 im Silicon Valley in Kalifornien gegründet. Mitbegründer war unter anderem Elon Musk, der jedoch aus Konfliktgründen mit Tesla 2018 wieder ausstieg. OpenAI forscht im Bereich der künstlichen Intelligenz. Bekannt sind sie für ihre Sprachverarbeitungsmodelle der GPT-Reihe (Generative Pre-trained Transformer) und das Bilderzeugungstool DALL-E. Gleichzeitig engagiert sich OpenAI stark für die Erforschung und Entwicklung von KI-Ethik und KI-Sicherheit, um sicherzustellen, dass KI-Systeme sicher und verantwortungsvoll eingesetzt werden. Regelmässige finanzielle Unterstützung in Milliardenhöhe erhält OpenAI von ihrem Partner Microsoft. Seit 2016 läuft ein Grossteil der Experimente auf deren Azure-Cloud-Plattform. Microsoft profitiert von dieser Partnerschaft und wird ChatGPT in die Suchmaschine Bing und weitere Produkte einbauen.

Wie können wir nun auf ChatGPT selbst oder die Technologie dahinter zugreifen?

Es gibt drei Möglichkeiten resp. Szenarien:

  1. ChatGPT über die Chat-Plattform von OpenAI nutzen, wie es aktuell zur Verfügung steht.
  2. Die Funktionalität von ChatGPT mit der OpenAI API in eigene HR-Tools einbinden.
  3. Darauf warten bis grosse HR-Software Hersteller wie UKG oder SAP SuccessFactors die künstliche Intelligenz von ChatGPT im Hintergrund einbinden.

Im ersten Szenario stelle ich meine Frage direkt ChatGPT anstatt sie zu googeln oder in Foren wie HR Cosmos zu stellen. Wie sinnvoll ist das? Was muss ich beachten?

ChatGPT verfügt über ein enormes Wissen und kann dir Orientierung, Tipps und Ratschläge geben. In Bezug auf zwei Themen sollte man aber aufpassen.

Erstens: Mit welchen Informationen man ChatGPT beim Fragen füttert. Diese verwendet der Chatbot nämlich auch wieder für Antworten. So warnte Amazon Anfang des Jahres ihre Mitarbeitenden davor, vertrauliche Informationen mit ChatGPT zu teilen, nachdem Fälle aufgetreten sind, in denen seine Antworten «sehr nah» an unveröffentlichte interne Informationen gekommen sind. ChatGPT beispielsweise mit CVs/Lebensläufen zu füttern, um Profile zu vergleichen, ist deshalb keine gute Idee!

Zweitens sollte man in Bezug auf rechtliche Angelegenheiten vorsichtig sein. Die Antworten sind nur so gut wie die Daten dahinter und die Quelle wird uns nicht genannt. Hier macht es Sinn, die Antwort des Chatbots von einem Anwalt verifizieren zu lassen.

Schauen wir uns das an einem Praxisbeispiel an. Wir stellen die gleiche Frage einmal ChatGPT und der ebenfalls kostenlosen Wissensplattform HR Cosmos und vergleichen die Antworten.

Frage gestellt an ChatGPT

Frage gestellt an HR Cosmos

Der Teufel steckt im Detail. Obwohl die Antwort von ChatGPT auf den ersten Blick richtig erscheint, sind nicht alle Aussagen korrekt. Zum Beispiel wird der Grenzwert von CHF 148'200 des Jahreseinkommens nicht erwähnt, ab dem die Steuer erhoben wird. Ausserdem ist die Aussage falsch, dass die Steuer 1999 eingeführt wurde. Die erste Besteuerung fand bereits 1996 statt. Entscheidend ist die Schwelle von CHF 2.5 Milliarden, ab der Beiträge für das Jahr fällig werden oder nicht. Auch das wurde von ChatGPT nicht erwähnt.

Im zweiten Szenario sprichst du davon, die Funktionalität von ChatGPT mit der OpenAI API in eigene HR-Tools einzubinden. Geht das?

Ja, ChatGPT bietet die Möglichkeit, eigene Systeme per API (Programmier-Schnittstelle) anzubinden. Das ist kostenpflichtig. Dafür werden die Eingaben über API nicht für das Training von ChatGPT genutzt. Damit können beispielsweise automatisch Texte für Briefe, Vereinbarungen oder Stellenausschreibungen erstellt werden. Auch bei der Textanalyse kann die API genutzt werden, um Stimmung, Themen oder Schlüsselwörter zu extrahieren.

Dabei zu beachten ist, dass die API aktuell alle ihre Benutzerdaten in den USA verarbeitet und speichert. Das kann schnell zu einem Konflikt mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) führen. Wer auf Nummer sicher gehen will, verwendet Produkte mit Servern für die Datenverarbeitung in der Schweiz oder der EU.

Im dritten Szenario sprichst du davon, dass Toolanbieter wie SAP oder UKG die ChatGPT Technologie in ihre eigenen Tools einbauen. Gibt es schon konkrete Pläne?

Natürlich sind Unternehmen daran interessiert, die neusten Technologien mit ihren eigenen Produkten zu kombinieren. In ChatGPT steckt ein Meilenstein der Sprachverarbeitung. Wie bestehende Toolanbieter dieses Potential in ihre Lösungen integrieren werden, wissen wir allerdings noch nicht.

Und, heisst das jetzt, dass ChatGPT das HR ersetzen wird?

Nein, das wird nie ganz passieren. Viele HR-Aufgaben benötigen menschliches Einfühlungsvermögen, Erfahrung und Urteilsvermögen. Ein Chatbot kann und sollte diese menschlichen Fähigkeiten nicht ersetzen. Beispielsweise bei der Entwicklung der digitalen HR-Assistenz Sophie versuchen wir neue Technologien dafür einzusetzen, um Mitarbeitenden proaktive, schnelle und leicht verständliche Unterstützung zu bieten. Entscheidungen und Kontrollfunktionen liegen weiterhin bei den Menschen.

Ein Beispiel am On-/Offboarding-Prozess, wie neue Technologien sinnvoll eingesetzt werden könnten, ist folgendes:

Beim Eintritt kann die digitale HR-Assistenz oder der Chatbot Informationen und Dokumente bereitstellen, um neue Mitarbeiter zu begrüssen und zu orientieren. Gleichzeitig können HR-Mitarbeitende sich auf die persönliche Betreuung und das Beantworten individueller Fragen der neuen Mitarbeiter konzentrieren, um eine erfolgreiche Integration in das Unternehmen sicherzustellen. Beim Austritt kann die digitale HR-Assistenz oder der Chatbot bei der Erstellung von Austrittsformularen oder anderen administrativen Aufgaben helfen. Auch die Auswertung von Austrittsbefragungen ist heute bereits möglich. HR-Mitarbeitende haben so mehr Zeit für tiefergehende persönliche Gespräche und können sich darauf fokussieren, das Feedback für Optimierungen zu nutzen.

Es ist somit sinnvoll, den Einsatz neuer Technologien Thema für Thema anzuschauen. Im Artikel "Künstliche Intlligenz im HR" in der HR Today wurde dies von uns genauer betrachtet.

Autorinnen

HR Strategies, HR Campus

Anja Buser

HR Consulting, HR Campus

Esther Brand​

Publiziert am: 11. April 2023

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