Was wir in 25 Jahren gelernt haben
Wenn es um das Thema Digitalisierungsprojekte geht, scheiden sich die Geister. Einige sehen sie als unvermeidlichen Schritt in Richtung Effizienzsteigerung und Zukunftssicherheit, während andere Bedenken hinsichtlich Komplexität, Kosten und mögliche Widerstände innerhalb der Organisation haben. Nach 10'000 erfolgreich durchgeführten Projekten möchten wir in unserem Jubiläumsjahr eine Bilanz ziehen und über die häufigsten Stolpersteine sowie unsere wichtigsten Learnings sprechen. Andreas Loser hat in seiner Rolle als Projektleiter und SuccessFactors-Consultant bereits über 10 Jahre lang Digitalisierungsprojekte betreut. In diesem Blog nennt er die seiner Meinung nach sechs wichtigsten Punkte, die bei einem anstehenden Projekt berücksichtigt werden sollten.
Die Berater:innen von HR Campus haben zahlreiche HR-Abteilungen und HR-Prozesse digitalisiert – über 10'000 erfolgreiche Projekte sprechen für sich. Selbstverständlich gab es darunter auch Projekte, die nicht reibungslos verliefen und bei denen man einige, teilweise bedeutende, Hürden überwinden musste. Auch wenn die Gründe für die angetroffenen Schwierigkeiten vielfältig sind, so lassen sie sich doch folgenden sechs Punkten zuordnen:
Viele Softwareanbieter oder Implementierungspartner bieten Best Practice-Prozesse und Konfigurationen an, die es Kunden ermöglichen, schnell und kostengünstig ein neues HR-System zu implementieren. Ausser Frage steht, dass diese Best Practices immer in einer Fit-Gap-Analyse mit den aktuellen Prozessen der Kunden abgeglichen werden müssen und gegebenenfalls im System angepasst werden sollen. Ich empfehle, dies nicht als Alibi-Übung zu betrachten. Es wird nur dann effektiv sein, wenn der Wille zur Standardisierung vorhanden ist. Schliesslich entstehen Best Practices nicht im luftleeren Raum, sondern sind Resultat bzw. Erfahrungswert aus unzähligen HR-Digitalisierungsprojekten. Man muss sich also bei jeder Abweichung vom Standard fragen: Ist die gewünschte Abweichung wirklich notwendig?
Die Einführung eines neuen HR-Systems ist immer eine Chance, Bestehendes zu hinterfragen. Auch wenn es nicht die Projektphilosophie ist, alles neu zu definieren. Unglücklicherweise wird die Chance oft verpasst, ineffiziente Prozesse anzupacken und Altlasten abzuwerfen. Man wählt den Weg des geringsten Widerstandes und bildet das Bestehende im neuen System einfach wieder ab. Wenn man die Chance nutzt und sich mit seinen Altlasten befasst, kann man mit dem Projekt einen grossen Gewinn erzielen.
Seien Sie sich bewusst: Viele Systeme konsumieren Personalstammdaten und Sie verwalten die Hauptquelle! Planen Sie genügend Zeit und Budget ein, um das neue HR-System mit seinen Umsystemen zu verbinden. Je nach System kann dies schnell eine komplexe und folglich auch teure Sache werden. Leider wird dieser Teil des Projekts immer wieder unterschätzt. Evaluieren Sie also eine Schnittstelle sorgfältig und schätzen Sie den Aufwand frühzeitig ab.
Die Einführung eines neuen HR-Systems ist ein zeitaufwendiges und ressourcenintensives Vorhaben. Leider ist es oft so, dass die Mitarbeiter:innen in den Fachabteilungen kaum von ihrem Tagesgeschäft zugunsten des Projekts entlastet werden. Manchmal müssen sogar mehrere Projekte parallel bewältigt werden, weil beispielsweise zur Einführung des neuen Systems noch das ganze Funktionsmodell überarbeitet wird. Diese Mehrfachbelastung birgt die Gefahr, dass Personen im Projekt ausbrennen. Nicht selten erleben wir, dass es während oder kurz nach dem Projekt zu Kündigungen von Know-How-Träger:innen kommt, was sich negativ auf die Verankerung des neuen Systems und der neuen Prozesse im Unternehmen auswirkt.
Viele Menschen mögen keine Veränderungen. Die Neuimplementierung eines HR-Systems, oft in Kombination mit angepassten Prozessen, kann Unsicherheit auslösen. Es ist auch nicht unüblich, dass man direkt nach dem Go-Live für dieselben Aufgaben länger braucht als davor, da eine gewisse Eingewöhnungszeit notwendig ist. Verständlicherweise fällt es deshalb auch nicht leicht, gleich den Mehrwert eines neuen Systems zu erkennen. Gefährlich für die Akzeptanz der Neuerungen wird es dann, wenn diese Stimmungslage anhält und dies zu einer andauernden Unzufriedenheit mit dem neuen System führt. Ein systematisches und umsichtiges Change Management ist deshalb ein kritischer Erfolgsfaktor, um die Neuerungen nachhaltig im Unternehmen zu verankern.
Irgendwann gehen Sie mit Ihrem neuen System live und irgendwann endet auch die Phase der intensiven Nachbetreuung durch den Implementierungspartner. Definieren Sie bereits frühzeitig das zukünftige Betriebsmodell. Wer wird Key User im neuen System? An wen und wie sollen sich Mitarbeiter:innen bei Fragen und Problemen wenden? Wer entscheidet über Neuerungen und Releases? Was wird die Rolle des jetzigen Implementierungspartners sein? Das sind alles wichtige Fragen, welche Sie frühzeitig angehen müssen und die leider oft vergessen gehen, bzw. zu stiefmütterlich behandelt werden.
Betrachten Sie ein Digitalisierungsprojekt als Chance, sich von Altlasten zu befreien und so viel wie möglich zu standardisieren. Unterschätzen Sie jedoch nicht die Komplexität des Vorhabens und denken Sie daran, Ihren Mitarbeiter:innen den notwendigen Freiraum zu gewähren, um das Projekt bewältigen zu können. Begleiten Sie sie und das Unternehmen durch den damit verbundenen Veränderungsprozess. So steht einem erfolgreichen Digitalisierungsprojekt nichts im Wege.
Seit über 10 Jahren schon ist Andreas Loser dabei, HR-Prozesse bei verschiedensten Kunden mit SAP SuccessFactors zu digitalisieren. Dies durfte er in verschiedenen Rollen bei unterschiedlichen Kunden, von KMUs bis internationale Grossunternehmen, tun.
Publiziert am: 30. November 2023