Die Bogenkarriere unter der Lupe und wie wir dazu kommen, eine Sinuskarriere vorzuschlagen.
Wir haben uns das Modell Bogenkarriere angeschaut und die wichtigsten Fragen beantwortet. Für uns war die Frage zentral, ob sich Bogenkarriere und Privatleben vereinbaren lassen. Und so kamen wir auf die Idee der Sinuskarriere.
Die Bogenkarriere sieht vor, dass ältere Mitarbeitende bereits vor dem Erreichen des Pensionsalters ihr Arbeitspensum reduzieren, eventuell von Führungspositionen zurücktreten und dementsprechend ihr Gehalt reduzieren.
Die Idee der Bogenkarriere ist, dass Mitarbeitende im Pensionsalter nicht von 100 auf 0 aus dem Berufsleben ausscheiden. Nicht selten sind Mitarbeitende vor der Pensionierung überfordert. Einige entwickeln Existenzängste, andere wissen schlicht und einfach nicht, was mit der plötzlichen Freizeit anzufangen. Ein sukzessives Reduzieren der Arbeitszeit kann helfen, sich an den neuen Lebensabschnitt zu gewöhnen.
Die Bogenkarriere kann aber auch im Interesse des Unternehmens sein. Mitarbeitende bleiben oft bis zur Pensionierung in ihren Führungspositionen. Dadurch werden junge Talente blockiert. Das Unternehmen kann dem Anspruch, vorhandenes Know-How und vorhandene Ressourcen optimal zu nutzen, nicht gerecht werden.
Die gesetzlichen Beiträge an Vorsorgeeinrichtungen erhöhen sich mit dem zunehmenden Alter der Mitarbeitenden. Würden ältere Menschen ihr Pensum reduzieren, reduzieren sich auch die Pflichtbeiträge der Arbeitgeber. Lohneinsparungen sollen aber nicht das Ziel der Bogenkarriere sein. Entsprechende Lohneinbussen müssten dann durch höhere Löhne im Karriere-Peak-Alter ausgeglichen werden. Viel mehr soll das Ziel sein, Mitarbeitende optimal einzusetzen und zu fördern, um das vorhandene Wissen gewinnbringend nutzen zu können.
Gesetzlich ist die Bogenkarriere nur umsetzbar, wenn sie auf Freiwilligkeit beruht: Arbeitgeber dürfen Mitarbeitende weder zu einer Reduzierung zwingen, noch dürfen sie Mitarbeitende in ihrer Position zurückstufen. Dies wäre aber bei einer Reduktion zum Teil zwingend und auch im Sinne der Bogenkarriere. Wird ein Vertrag mit entsprechenden Bedingungen vorgelegt, kann es gut sein, dass Mitarbeitende diesen nicht unterzeichnen wollen. Neben den gesetzlichen Vorgaben sehen wir auch noch das Risiko des Imageverlusts. Will ein Unternehmen die Bogenkarriere erzwingen, oder wird dieses Bild gegen aussen getragen, kann dem Unternehmen schnell vorgeworfen werden, die älteren Mitarbeitenden aufs Abstellgleis stellen zu wollen.
Eine Reduktion des Arbeitspensums kann durchaus dem Wunsch des Mitarbeitenden entsprechen. Es ist jedoch wichtig, die Gründe dafür zu kennen. Wird der Wunsch im Zusammenhang mit Leistungsdruck und Überforderung geäussert, ist der Schritt unserer Meinung nach nur bedingt freiwillig und nicht die richtige Lösung. Wollen sich aber Mitarbeitende mehr um ihre Enkel oder ihren Garten kümmern, oder haben schlicht und einfach keine Lust mehr auf die Verantwortung, so kann die Bogenkarriere eine gute Lösung sein.
Die Bogenkarriere unterstützt nicht nur ältere Mitarbeiter in ihrem Wunsch zur Reduzierung: Zeitgleich werden nämlich mehr jüngere Mitarbeiter in Führungspositionen rutschen. Dies kann durchaus einen positiven Effekt auf die Unternehmensdynamik haben. Jüngere Mitarbeitende können hochmotiviert Ideen umsetzen, werden wahrgenommen und gefördert.
Ältere Mitarbeitende können sich in ihrem Spezialgebiet zurückziehen und eine Consulting-Funktion einnehmen. Von ihnen wird nicht mehr zwingend erwartet, dass sie das Unternehmen mit neuen Ideen vorantreiben. Viel mehr wird ihr Expertenwissen geschätzt und sie können jüngere Mitarbeitende coachen. Dies kann zu einer allgemeinen Steigerung des Wohlbefindens führen.
Das klingt ja alles gar nicht schlecht. Aber wie gut lässt sich das Privatleben der Mitarbeitenden mit der Bogenkarriere vereinbaren? Die Bogenkarriere sieht vor, dass man sich nach Einstieg ins Berufsleben auf den Karrierehöhepunkt hinarbeitet, diesen mit ca. 45 Jahren erreicht und danach langsam anfängt zu reduzieren.
Doch wie sieht das Privatleben von Mitarbeitenden aus? Die Jahre vor dem 45 Geburtstag können durch verschiedene Ereignisse und Bedürfnisse geprägt sein: Reise- und Abenteuerlust, Familiengründung, ambitionierte Hobbysportler oder der Traum vom Eigenheim.
Schauen wir uns zwei Beispiele an: die abenteuerlustige Annika und den Familienmenschen Franz.
Annika möchte Abenteuer erleben und die Welt erkunden. Sie arbeitet jeweils hochmotiviert, bis es sie wieder auf eine Reise zieht. Dann kommt sie entspannt zurück und kann voller Energie dort weitermachen, wo sie aufgehört hat. Gerne besucht sie auch eine Weiterbildung, um noch mehr Wissen und Lebenserfahrung in das Unternehmen zu bringen.
Franz hat nach der Ausbildung motiviert im Unternehmen angefangen und mit 31 Jahren seine erste Führungsposition angetreten. Fast zeitgleich hatte Franz das Glück, Vater zu werden und möchte gerne Zeit mit dem neuen Familienmitglied verbringen. Aufgrund seiner Führungsposition kann er nicht auf 60% reduzieren. Bis er 45 Jahre alt ist, sind seine Kinder bereits im Ausbildungsalter und Franz wäre dann bereit, nochmals 20 Jahre lang zu arbeiten.
Wir von HR Campus glauben deshalb, dass die Bogenkarriere für die neue Generation nicht mehr die optimale Arbeitsform ist. Weder für Familien noch für aktive Individuen bietet das Modell genügend Flexibilität, um Privat- und Arbeitsleben optimal zu kombinieren. Die Bogenkarriere stellt das Arbeitsleben bis zum 45. Lebensjahr in den Mittelpunkt. Werden Mitarbeitende in eine Bogenkarriere gedrängt, gibt man ihnen zudem das Gefühl, nicht mehr so viel Wert zu sein.
Wieso nicht eine flexible Sinuskarriere? Wir wollen nicht nur einen Bogen, sondern mehrere Kurven, die sich mit dem Privatleben vereinbaren lassen. Wir glauben, dass Unternehmen auf diese Weise von noch motivierteren Mitarbeitenden profitieren können, die durch ein hohes Wellbeing auch produktiver sein werden: Happy Employee Happy Company.
In 20 Jahren wird Franz nochmals eine Weiterbildung machen wollen, um wieder auf dem neusten Stand zu sein. Er wird neue Ideen einbringen und mit der gewonnenen Lebenserfahrung ein Team noch besser führen können. Zudem bringt er ein ausgeprägtes Verständnis für junge Mitarbeitende mit. Schliesslich hat er auch Kinder in deren Alter.
In 20 Jahren wird Annika so viel Berufserfahrung haben, dass Sie ihr ab dem ersten Arbeitstag ein Projekt übergeben können. Sie können sich sicher sein, dass sie es zu Ihrer vollsten Zufriedenheit leiten und ausführen wird. Dank ihren Reisen bleibt sie flexibel und kommt auch mit 50 Jahren noch motiviert und mit neuen Ideen ins Büro.
Anja Buser hat sich selbst bewusst gegen eine klassische Karriere entschieden und ist davon überzeugt, dass es auch viele andere Mitarbeitende gibt, die nicht immer höher, schneller, weiter wollen. Als HR Strategies Consultant berät sie Unternehmen bei der Gestaltung und Umsetzung zeitgemässer Karrieremodelle.
Publiziert am: 5. Dezember 2019