Kennst du das Kinderspiel «Verkehrte Welt»?
In diesem Fachartikel zeigen wir dir 10 Beispiele, wie Digitalisierungsprojekte in einer verkehrten Welt ablaufen – ganz nach dem Motto des beliebten Kinderspiels.
Wenn du digitalisierst, ist es wichtig, dass alles, was heute auf Papier und in den Köpfen der Mitarbeitenden ist, exakt so digital repliziert wird. Wozu Best Practices nutzen, wenn es bisher auch funktioniert hat? Es läuft doch eigentlich alles gut, oder?
In einer verkehrten Welt würden Digitalisierungsprojekte nach den folgenden Beispielen ablaufen.
1. Change Management – überflüssig!
Wenn bestehende Prozesse digitalisiert werden, brauchst du kein Change Management. Die eingespielten Prozesse haben sich schliesslich bewährt. Dein Ziel sollte sein, alles, was bisher auf Papier, mit Formularen und via E-Mails erledigt wurde, in der neuen digitalen Lösung exakt zu replizieren.
2. HR weiss am besten, was für alle gut ist
Um Ressourcen im Unternehmen zu schonen, ist es am effizientesten, wenn das Projekt allein von der HR-Abteilung durchgeführt wird. Alle anderen Abteilungen sind ohnehin ausgelastet. So kannst du schnell und zielgerichtet vorgehen, denn die HR-Expert:innen wissen am besten, was für das Unternehmen gut ist. Mitarbeitende zu involvieren, kostet nur Zeit und Geld.
3. Setze schnell auf eine Lösung
Auf dem Markt gibt es zahlreiche Software-Angebote, die scheinbar ähnliche Lösungen liefern. Um Zeit zu sparen, solltest du die zukünftige Lösung möglichst schnell auswählen. Beziehungen zu Bekannten, die bei einem Softwareanbieter arbeiten, sollten prioritär berücksichtigt werden – schliesslich sind persönliche Kontakte wichtiger als das Einholen von Referenzen.
4. Nur das Beste
Um optimal zu digitalisieren, solltest du immer den «Best of Breed»-Ansatz verfolgen, bei dem für jeden Prozess eine spezialisierte Lösung beschafft wird. Damit zeigst du, dass dir deine Mitarbeitenden wichtig sind, denn nur das Beste ist gut genug. Und natürlich traust du deinen Mitarbeitenden problemlos zu, sich an verschiedene Lösungen zu gewöhnen.
5. Migration von historischen Daten
Beim Einführen einer neuen Lösung darf kein Wissen über die Vergangenheit verloren gehen. Du solltest möglichst alle historischen Daten, wie die von ausgetretenen Mitarbeitenden, migrieren. Dein internes Audit wird den Mehraufwand schätzen, auch wenn die Informationen nur selten genutzt werden.
6. Stabile und bewährte Lösung
Da viel Zeit in die Schulung der User fliesst, ist es wichtig, dass die Lösung nach der Einführung stabil bleibt. Veränderungen sind überflüssig. Stabilität stärkt das Vertrauen der Mitarbeitenden in die HR-Abteilung und minimiert den Betriebsaufwand. Technische Neuerungen oder KI-Erweiterungen sind überbewertet und lediglich vorübergehende Trends.
7. Direkter Kontakt ist wichtig
Damit die Nähe zu den Mitarbeitenden erhalten bleibt, solltest du alle Kommunikationskanäle offenlassen. Lasse Anfragen wie Unfallmeldungen oder Feriensaldi direkt per Telefon oder via E-Mail bei der HR-Abteilung einreichen. Die HR-Mitarbeitenden können diese Angaben dann sorgfältig ins System eintragen.
8. Excel kann alles
Ein guter Onboarding-Prozess sollte persönlich gestaltet und flexibel anpassbar sein. Dafür eignet sich Microsoft Excel perfekt. Mit Checklisten und Drop-down-Menüs kannst du den Fortschritt erfassen. Wenn das Onboarding-Excel im Dossier der neuen Mitarbeitenden abgelegt wird, können alle relevanten Abteilungen den Fortschritt zuverlässig nachführen.
9. Pivot-Reports für optimale Flexibilität
Das Management braucht zuverlässige Reports für wichtige strategische Entscheidungen. Lade dazu alle Daten als Excel-Dateien herunter, kombiniere sie und bereite sie mit Pivot-Tabellen auf. Manuelle Schritte bieten dir gleichzeitig eine Qualitätssicherung und einen «Realitäts-Check».
10. Zielvereinbarungen am besten auf Papier
Eine gute Zielvereinbarung sollte am Tisch stattfinden – mit direktem Blickkontakt und über einem leeren Blatt Papier. Danach kannst du ein Foto per WhatsApp an die HR-Verantwortlichen senden, damit die Vereinbarung sauber digital erfasst wird. So stellst du sicher, dass alle Termine eingehalten werden.
Hast du geschmunzelt?
Auch wenn die oben genannten Punkte sehr relevant sind, sind die vorgeschlagenen Lösungsansätze es nicht. Aus unserer Erfahrung aus den letzten 25 Jahren sind es meist nicht die technischen, sondern die menschlichen Herausforderungen, die am schwierigsten zu lösen sind.
Digitalisierungsprojekte sind der ideale Moment, bestehende Denkweisen und Überzeugungen zu hinterfragen. Es gilt, sich auf neue Prozesse einzulassen und die bisherige Arbeitsweise zu überdenken. Nur so kannst du nachhaltige Veränderungen und einen echten Mehrwert für dein Unternehmen erreichen.
P.S.: Wenn du das Kinderspiel «Verkehrte Welt» nicht kennst, schau doch mal auf YouTube vorbei. Viel Spass beim Mitsingen!
Autor

Marc Dennler
Service Management
Marc Dennler hat für nationale und internationale Unternehmen im Human Ressources gearbeitet. Als Solutions Expert begleitet er heute unsere Kunden bei der Digitalisierung und ist verantwortlich für die Lösung HR Campus Suite.